Wie Phönix aus der Asche

Schon die alten Ägypter berichteten in Hieroglyphentexten von einem geheimnisvollen schwarzen Vogel. In den Alpenländern fand er noch im 16. Jahrhundert in mancher Urkunde Erwähnung. Wenig später wurde es aber still um den „Waldraben“. Die Gelehrten erklärten ihn mit der Zeit schlicht zum Fabeltier. Umso größer war die Sensation, als Vogelkundler im Jahr 1897 nachwiesen, dass der mittelalterliche Waldrapp identisch ist mit dem „Schopfibis“, der noch spärlich in Nordafrika und im Nahen Osten vorkam.
Bis vor wenigen Jahrhunderten war der Waldrapp tatsächlich in Bayern, Österreich und in der Schweiz anzutreffen. Dann setzte ihm das rauer werdende Klima zu. Vor allem aber bejagte der Mensch diesen Vogel rücksichtslos und plünderte seine Nester aus. Der Waldrapp wurde „zur Speyss gelobt“ und „für einen Schläck gehalten“. Es kursierten sogar eigene Rezepte für Waldrapp-Braten.
Die Familie der Ibisse ist eigentlich in südlicheren Breitengraden zu Hause. Drei Arten stoßen jedoch bis Europa vor. Typisches Merkmal der Ibisse ist ein langer Sichelschnabel, mit dem sie auf Wiesen, in Sümpfen und im Geröll nach Kleintieren stochern. Den Waldrappen erkennt man an seinem metallisch schimmernden schwarzen Gefieder. Am Kopf fallen ihm die Federn jedoch mit zunehmendem Alter aus, bis nur noch der zersauste Schopf übrig bleibt. Als Lebensraum kommen ausschließlich felsige Gegenden in Frage, denn der Vogel brütet auf schmalen Simsen an Steilwänden.
Der Waldrapp ist heute eine der seltensten Tierarten der Erde. Nachdem die letzte große Kolonie in der Türkei erloschen ist, gibt es wildlebende Waldrappen einzig und allein noch an wenigen Stellen in Marokko. Glücklicherweise lässt sich der Waldrapp gut in menschlicher Obhut pflegen und vermehren. Mittlerweile sind rund 1.700 Exemplare in den Zuchtbüchern registriert.

Schon gewusst?

Möglicherweise werden schon bald wieder frei lebende Waldrappen in Mitteleuropa zu beobachten sein. In Österreich wurde mit einem Auswilderungsprojekt begonnen. Zurzeit tüfteln Vogelkundler daran, wie man den Vögeln die alten Zugwege in Richtung Süden beibringt. Man will sogar eine Flugzeug-Attrappe vorwegschicken. Verlorengegangene Traditionen stellen das größte Problem bei der Wiederansiedlung von Tierarten dar.