Neubau einer Großvoliere im Wildpark Pforzheim

(stp). Der Spatenstich für den Neubau einer Großvoliere für Waldrappe und Uhus fand heute unter Beteiligung von Bürgermeisterin Sibylle Schüssler im Wildpark Pforzheim statt. Dieser ist der symbolische Auftakt für die Bauarbeiten, die 2018 beginnen sollen.

Die ‚begehbare Großvoliere für Waldrappe und Uhus‘ – so die vollständige Projektbe-zeichnung – ist mehr als ein „teurer Vogelkäfig“. Als bauliche Hülle umschließt eine anspruchsvolle Seilnetz-Architektur eine zoologische Konzeption, die optimierte Haltungsbedingungen und naturpädagogische Aspekte vereint. Die beiden Tierarten, die in zwei baulich getrennten Teilgehegen innerhalb der Großvoliere angesiedelt werden, sind bereits seit langem im Wildpark beheimatet und gehören auch in der Zukunft zum Grundbestand des Tierarten-Leitbilds. Derzeit führen sie aber in der Aufmerksamkeit der Besucher eher ein Schattendasein.

Der Waldrapp ist ein ursprünglich heimischer Ibis-Vogel, der heute in freier Wildbahn praktisch ausgestorben ist und nur in Form einer stabilen Population in Zoos und Wildparks überlebt hat. Dieses Schicksal verbindet ihn mit dem Wisent – dem Logo-Tier des Pforzheimer Wildparks. Waldrappe sind Kolonievögel mit ausgeprägtem Sozialverhalten. Die neue Waldrapp-Anlage wird auf 250 Quadratmetern Grundfläche und einem stützenfreien Luftvolumen von bis zu 8 Metern Höhe den Tieren nicht nur erheblich mehr Bewegungsraum bieten und echte Flugbewegungen ermöglichen. Auch die Lebensraumstrukturen werden artgerechter sein, vor allem durch eine steile Felswand mit Nestern und Rückzugsnischen. Die Größe der neuen Anlage ermöglicht zukünftig die Haltung der Waldrappe als Kleinkolonie, so dass Aussicht auf Brutverhalten, Nachzucht und vielleicht sogar Teilnahme an einem der Wiederansiedlungsprojekte besteht. Wildparkbesucher erhalten über zwei ausgeklügelte Schleusen Zutrittsmöglichkeit in das Innere der Voliere, wo sie ohne störenden ‚Gitterblick‘ die Tiere und ihr Verhalten studieren können. Auch im Rahmen der Wildpark-Pädagogik bieten sich so neue Möglichkeiten.

Die zweite Tierart in der Großvoliere ist der Uhu – die größte heimische Eulenart, der ‚König der Nacht‘. Das Uhu-Gehege wird zwar nicht für Besucher betretbar sein. Mit Felsstrukturen und Gehölzen einem Felshang in der Natur nachempfunden, wird es den Wildpark-Uhus mit über 150 Quadratmetern Fläche allerdings deutlich größeren und artgerechteren Lebensraum bieten als die bisherige Maschendraht-Voliere südlich des Kinderbauernhofs.

 

Die Voliere wird als sogenannte ‚Seilnetz-Architektur‘ errichtet. Hierbei wird eine Netzhülle aus geschwärztem Edelstahl mit Hilfe verschiedener Spann- und Zugseile zwischen Stahlpylonen aufgespannt. Diese Pylonen (Stützen) stehen alle außerhalb der Voliere, die im Inneren also stützenfrei ist. Das gespannte Seilnetz, Pylonena, Spann- und Tragseile bilden zusammen eine statische Einheit, die ein Stück weit flexibel ist, da die Pylonen über bewegliche Gelenke auf Punktfundamenten sitzen. Die Seilnetzüberspannung ist so dimensioniert, dass sie flexibel Wind- und Schneelasten auffangen kann und zu Unterhaltszwecken sogar begehbar ist. Die Schwärzung des Edelstahlseilnetzes bewirkt, dass die Netzwände vor der Waldkulisse im Wildpark möglichst wenig auffallen. Im Inneren der Voliere wird eine Trennwand errichtet, die mit Modellierbetontechnik als Felswand mit Vorsprüngen für Nester und Ansitze gestaltet wird. In diese Wand werden auch - für die Besucher nicht sichtbar – die tierpflegerisch erforderlichen Nebenräume integriert.

 

Als Standort der neuen Großvoliere wurde bewusst der südliche Teil des Wildparks gesucht. Dieser Bereich liegt etwas abseits der Hauptbesucherschwerpunkte um Haupteingang, Kinderspielplätze und Kinderbauernhof. Hier sind die tierhalterisch anspruchsvolleren Arten angesiedelt, und hier sollen auch in Zukunft fortgesetzt im räumlichen Kontext von Luchs-Freigehege und neuer Großvoliere nach Möglichkeit weitere Aufwertungsschritte erfolgen.

Der Wildpark ist eines als familienfreundliches Freizeit- und Erholungsangebot eines der Aushängeschilder Pforzheims. Vor fast 50 Jahren aus kleinen Anfängen entstanden hat er sich im Lauf der Jahrzehnte zum heutigen Format entwickelt. In dieser Zeit haben sich die Rahmenbedingungen verändert, darunter die Sichtweise auf die Haltung von Zootieren und deren Präsentation in einem naturpädogogischen Kontext. Wie für andere zoologische Einrichtungen in Deutschland gibt es auch für den Pforzheimer Wildpark ein Leitbild, das als langfristiges Entwicklungskonzept die Richtschnur bei allen Veränderungen darstellt.

 

Bei dieser Weiterentwicklung ist seit seiner Gründung im Jahr 2006 der Förderverein Wildpark Pforzheim e.V. ein starker Partner, der mittlerweile auf eine stolze Liste von Projekten blicken kann, die mit maßgeblicher Finanzierung aus eingeworbenen Spenden- und Sponsorengeldern verwirklicht werden konnten. Hierzu zählen unter anderem das neue Luchs-Freigehege, die Schleiereulen-Voliere, das Fledermauszentrum und natürlich die große Anlage für Fischotter und Waschbären im Herzen des Wildparks.

 

Unmittelbar nach deren Fertigstellung wurde mit den Vorarbeiten für das aktuelle Großprojekt begonnen. 2010 wurden erste Informationen zur gerechten Haltung der einzelnen Arten sowie zum Stand der Volierenbautechnik eingeholt und gleichzeitig erste Vorentwürfe und Modelle erstellt. Das folgende Jahr wurde durch eine einführende Ausstellung zum Projekt und den Beginn der Sponsoring-Kampagne durch den Förderverein markiert. Ab 2015 wurden geeignete, spezialisierte Planungsbüros für die Architektur und das Tragwerk gesucht, sodass der Gemeinderat 2016 über die Durchführung des Vorhabens und die Vergabe der Planungsaufträge entscheiden konnte. Im laufenden Jahr erfolgten schließlich die Ausschreibung, die Ausführungsplanung und die Auftragsvergabe für Rohbau und Seilnetzbau durch den Gemeinderat sowie die Baugenehmigung. Die Fertigstellung der Großvoliere ist für das kommende Jahr 2018 geplant.

 

Ganz besonders die verstorbene Gründungsvorsitzende des Fördervereins Wildpark e.V., Christine Stavenhagen, hat sich von Anfang an für Idee, Konzeption und Finanzierung der begehbaren Großvoliere eingesetzt - und ohne die Übernahme eines sehr großen Anteils der Kosten durch den Förderverein wäre dieses interessante und anspruchsvolle Vorhaben nicht möglich.

 


Im Bild (von links): Carsten Schwarz (Leiter des Wildparks), Jan Lauer (Vorstandsvorsitzender Förderverein Wildpark e.V.), Bürgermeisterin Sibylle Schüssler, Christoph Meißner (Stellv. Vorsitzender und Schatzmeister des Fördervereins Wildpark e. V.), Stadtrat Carol Braun, Jürgen Metzger (Leiter Grünflächenmanagement beim Grünflächen- und Tiefbauamt)